Correspondence with Marie Steiner
1901–1925
GA 262
Translated by Steiner Online Library
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To Marie von Sivers in Berlin
Thursday, January 25, 1906
Dresden, January 25, 1906
My darling, I have now arrived in Dresden. It was nice that you were at least able to spend a few days away from the hustle and bustle of Berlin 9Marie v. Sivers presumably stayed with her friends Sophie Stinde and Countess Kalckreuth for a few more days after their stay in Munich on 17 and 18 January 1906, while Rudolf Steiner continued his lecture tour. If only I could have seen you out of the small-minded work and living fully in the spiritual world, which is meant for you and from which you only had to be snatched for a time because it was so difficult to find people in Germany for our cause who could really know what was important. So you had to take on not a simple martyrdom, but a double one. And on top of that, the difficult situation with your 'wife'! All attempts in this regard have only led to new difficulties. We both, my darling and I, have to bear the karma of materialism, because materialism, as it is expressed in our institutions, inevitably results in futility in our daily lives. And futility makes all things so difficult, because when it is present, it cannot be dealt with by 'sense'. But everything should be done in the further course that is possible.
At first, attendance in Frankfurt was very poor; however, the 'Goethe branch' has been established and Nab is its chair. In Marburg too, only a small number of the gentlemen students were available for a deepening of their spiritual culture. There, incidentally, I met Dr. Christlieb,10Max Christlieb (1862-1916), a Protestant pastor who worked as a librarian in Marburg in 1906; see Rudolf Steiner, 'Mein Lebensgang', XX. Chapter, see also Ludwig Kleeberg, “Wege und Worte”, Stuttgart 1961, p. 82. who had visited me in Weimar 14 years ago because he had taken a liking to my writings at the time. He had then gone to Japan as a missionary for seven years. Now he has translated Trine's books into German. He showed me a review of A. Besant's “Esoteric Christianity” that he wrote for a Protestant church magazine. He ends his review with the nice words “Methinks the old woman is raving”. That is the judgment of a liberal Protestant scholar who, on top of that, translates Trine into German. From the Theosophy he seems to have gained a little better understanding after the Marburg lecture.
I will tell you about Sunday evening in Kassel later. The afternoon (Monday) at Noll 11Dr. med. Ludwig Noll (1872-1930), elected to the board of the German Section at the founding meeting in 1902, in January 1907 chairman at the re-establishment of the dissolved branch in Kassel, 1921-24 physician at the Clinical-Therapeutic Institute in Stuttgart, 1924/25 second attending physician of Rudolf Steiner. seems to have been fruitful. The public lecture was not exactly bad, but it was not particularly well attended either. Kiem's parents were present.
In Weimar, the Tuesday meeting was relatively well attended. It didn't matter that Henning had called for the masons at 6 o'clock on Wednesday. We would actually have to recognize the Johannesmauers as brothers everywhere and treat them as masons. So I did that. The only thing was that it wasn't very effective because only # Weimar masons came to Henning's invitation. Now the Weimarian conditions in masonry are still unfavorable in that they “work” according to the so-called Hamburg system, and this is probably one of the most spiritless. With the four of them it went well, basically. Well, I'll tell you more about it.
In Hanover, they can approach the subject as they like. After all, no real progress will be possible there as long as good old Hübbe-Schleiden has his say. I have written to Mrs. Lübke telling her to do as she likes: she too will only stand in the way of someone's progress. Bremen is actually awful. Because Dr. Braun 12Clara Braun, nurse (Sister Frida), married wife of the socialist Dr. Heinrich Braun, member since 1897, helped in the early years with the book dispatch in the Berlin secretariat, moved to Bremen in 1905, married Gustav Wöbken (died 1959) there around 1906. has what it takes to lead us thoroughly onto the ice.
So I will see you again soon, my darling. I have to stay here tomorrow for a small gathering. If I don't tell you anything else, I will arrive in Berlin at 10:15 on Saturday.
In the meantime, my dearest Rudolf
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An Marie von Sivers in Berlin
Donnerstag, 25. Januar 1906
Dresden, 25. Januar 1906
Mein Liebling, nun bin ich also bis Dresden gelangt. Schön war es, dass Du wenigstens die paar Tage fern von dem Berliner Getriebe 9Marie v. Sivers war vermutlich noch einige Tage nach dem gemeinsamen Aufenthalt in München am 17. und 18. Januar 1906 bei den ihr befreundeten Damen Sophie Stinde und Gräfin Kalckreuth geblieben, während Rudolf Steiner seine Vortragsreise weiterführte. sein konntest. Wenn ich Dich doch schon heraus hätte aus den kleinlichen Arbeiten und Dich so recht leben sähe in der geistigen Welt, die Dir doch bestimmt ist und der Du nur entrissen werden musstest für einige Zeit, weil es so schwer war in Deutschland für unsere Sache Menschen zu finden, die wirklich wissen können, worauf es ankommt. So musstest Du nicht ein einfaches, sondern ein doppeltes Martyrium auf Dich nehmen. Und zu alledem noch die so schwierige Lage mit der «Gattin»! Alle Versuche nach da oder dorthin lassen ja doch nur neue Schwierigkeiten erkennen. Wir beide, mein Liebling und ich selbst, müssen das Karma des Materialismus mittragen, denn Materialismus hat notwendig für das alltägliche Leben, wie es sich in unseren Einrichtungen ausspricht, Sinnlosigkeit im Gefolge. Und die Sinnlosigkeit macht alle Dinge so schwierig, weil ihnen ja dann, wenn sie vorhanden ist, nicht mit dem «Sinn» beizukommen ist. Aber es soll alles geschehen im weiteren, was nur irgend möglich ist.
In Frankfurt war zunächst der Besuch sehr mäßig; der «Goethezweig» ist aber gegründet und Nab hat seinen Vorsitz. Auch in Marburg waren nur in geringer Zahl die Herren Studierenden für eine Vertiefung der geistigen Kultur zu haben. Dort traf ich übrigens den Dr. Christlieb,10Max Christlieb (1862-1916), protestantischer Pfarrer, 1906 in Marburg als Bibliothekar tätig, siehe Rudolf Steiner, «Mein Lebensgang», XX. Kapitel, ferner Ludwig Kleeberg, «Wege und Worte», Stuttgart 1961, S. 82. der vor 14 Jahren mich in Weimar aufgesucht hat, weil er damals an meinen Schriften Gefallen gefunden hatte. Dann war er auf sieben Jahre nach Japan als Missionar gegangen. Nun hat er ja die Bücher von Trine ins Deutsche übersetzt. Er zeigte mir eine Rezension des «Esoterischen Christentums» von A. Besant, die er für eine protestantisch kirchliche Zeitschrift geschrieben hat. Diese seine Rezension schließt mit den netten Worten «Mich dünkt, die Alte redet im Fieber». Das ist das Urteil eines liberalen Protestanten-Gelehrten, der obendrein Trine ins Deutsche übersetzt. Von der Theosophie scheint er nun durch den Marburger Vortrag doch ein klein wenig bessere Vorstellungen erlangt zu haben.
Vom Sonntagabend in Kassel erzähle ich Dir noch. Der Nachmittag (Montag) bei Noll 11Dr. med. Ludwig Noll (1872-1930), auf der Gründungsversammlung 1902 in den Vorstand der deutschen Sektion gewählt, Januar 1907 Vorsitzender bei der Neugründung des aufgelösten Zweiges Kassel, 1921-24 Arzt am Klinisch-Therapeutischen Institut in Stuttgart, 1924/25 zweiter behandelnder Arzt Rudolf Steiners. scheint fruchtbar gewesen zu sein. Der öffentliche Vortrag war nicht gerade schlecht, doch aber auch nicht übermäßig gut besucht. Kiems Eltern waren anwesend.
In Weimar war es Dienstag verhältnismäßig gut besucht. Es hat nichts gemacht, dass Henning für Mittwoch 6 Uhr die Maurer gerufen hat. Wir müssten eigentlich überall die Johannesmaurer als Brüder anerkennen, und uns ganz maurerisch zu ihnen verhalten. Das habe ich denn auch getan. Die Sache war nur insofern nicht sehr wirksam, als auf Hennings Einladung nur # weimarische Maurer gekommen sind. Nun sind ja die Weimarischen Verhältnisse in der Maurerei noch insofern ungünstig, als da nach dem sogenannten Hamburgischen System «gearbeitet» wird, und dies ist wohl eines der geistlosesten. Mit den vieren gings ja im Grunde gut. Nun, ich. erzähle Dir noch mehr davon.
In Hannover mögen sie das Thema machen, wie sie wollen. Dort ist ja etwas Gescheites doch nicht möglich, so lange der gute Hübbe-Schleiden sein «wissenschaftliches» Blech redet. - Frau Lübke habe ich geschrieben, sie möge machen, was sie will: auch sie wird nur hindernd irgendeinem Gedeihen sein. Bremen ist eigentlich grässlich. Denn Frau Dr. Braun 12Clara Braun, Krankenschwester (Schwester Frida), gesch. Frau des Sozialisten Dr. Heinrich Braun, Mitglied seit 1897, half in den ersten Jahren beim Bücherversand im Berliner Sekretariat, verzog 1905 nach Bremen, heiratet dort ca. 1906 Gustav Wöbken (gest. 1959). hat das Zeug dazu, uns gründlich aufs Eis zu führen.
Also wir sehen uns nun wieder bald, mein Liebling. Ich muss also noch morgen hier für einen engeren Kreis bleiben. Wenn ich Dir nicht noch anderes berichte, so komme ich Sonnabend 10.15 in Berlin an.
Einstweilen allerherzlichstes von Deinem Rudolf