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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

On the History and Content of the First Section of the Esoteric School
1904–1914
GA 264

Translated by Steiner Online Library

To Anna R. Minsloff in Russia

Berlin, November 16, 1908 My dear Miss Minsloff!

From your kind letters, I see that you consider my trip to Russia to be necessary at this particular time. Now you can be sure that I will always do everything in my power to further the cause we are serving with you in Russia. And even now I would be prepared to overcome obstacles if the situation were not such that, at this very moment, my trip to Russia would do more harm than good if it were to be arranged as it would have to be arranged now. And the harm would be all the greater, as a journey at a later period will bring much benefit. But we would be depriving ourselves of this if we were to do something now, at the most inopportune time, that could be nothing more than a waste of time and energy. There are many reasons for all this. Firstly, the most important one: the powers watching over the spiritual movement indicate a later point in time as the one when the theosophical mission should begin in your country. This is because it must be based on solid scientific ground in Russia, otherwise it will remain fruitless.

Secondly, my trip at the present time can only cause misunderstandings. Especially misunderstandings in the Theosophical Society. But we already have enough misunderstandings there. The point is that in the not too distant future we will be facing completely new situations in the Theosophical Society. We would define these matters in an unfavorable way if we were to arrange my trip now in such a way that I would present it as if I were summoned by opponents of the Russian Theosophical Section in Russia. We would then have everything against us, even in Adyar. But our concern is the cause, and we would do it harm if we were seen as opponents of the Russian Section. It would now even be necessary for me to demand, before coming to Russia, that all our German members join the Russian Section in order to avoid harming the cause. Then, if I were summoned by a group of Russian section members, there would be nothing to be said against my coming; but inwardly the present moment would remain as unfavorable as possible. Whether you join the Russian section or not, I will never influence you in that regard. Your and your comrades' relationship to me will not change in any way, whether you are members of the German or the Russian section. The only thing is that you should go the way that suits you best in this matter. And that consists in preparing a theosophical matter for you that is based on a solid foundation, avoids all theosophical dilettantism, and takes into account the historical development of humanity. My dear Fräulein Minsloff, you have been guided by all of this in everything you have done so far. It must, of course, be left to you to decide how you will relate to the newly established Russian Section. In Adyar, it seems that they believe that I have influenced your decisions, while you have, in fact, come to them on your own, realizing that this Section, with these institutions, does not correspond to Russian conditions.

But whether or not it is a section, things will take their course as they must according to spiritual necessities. In all the decisions you make, you will always have to ask yourself the question: is this action in line with spiritual necessities? These are too serious times for mere abstractions, as are currently beloved of in some Theosophical circles.

So, as I said, let the situation of the Theosophical Society in Russia be clarified. Much of what will happen in the Theosophical Society in the near future will contribute to such a clarification. Everything will be all right. This letter is only for you.

Sincerely and faithfully,

Dr. Rudolf Steiner

An Anna R. Minsloff in Rußland

Berlin, 16. November 1908 Mein sehr liebes Fräulein Minsloff!

Aus Ihren lieben Briefen geht hervor, daß Sie gerade in diesem Zeitpunkte meine Reise nach Rußland für notwendig halten. Nun können Sie überzeugt sein, daß ich jederzeit alles tun werde, was in der Möglichkeit [liegt], um die Sache, der wir dienen, bei Ihnen zu fördern. Und auch jetzt wäre ich bereit, Hindernisse zu überwinden, wenn die Angelegenheiten nicht so lägen, daß gerade im gegenwärtigen Augenblicke meine Reise nach Rußland nicht nützen, sondern schaden würde, wenn sie so arrangiert würde, wie sie jetzt arrangiert werden müßte. Und der Schaden würde um so größer sein, als eine Reise in einem späteren Zeitraume viel Nutzen bringen wird. Diesen aber nehmen wir uns selbst, wenn wir jetzt, im ungünstigsten Zeitpunkt, etwas tun, was nichts anderes sein könnte als ein Schlag ins Wasser. Es gibt viele Gründe, die für alles dieses sprechen. Erstens der wesentlichste: Die über die spirituelle Bewegung wachenden Mächte bezeichnen einen späteren Zeitpunkt als den, wo die theosophische Mission bei Ihnen zu beginnen hat. Denn diese muß in Rußland auf einem gediegenen wissenschaftlichen Boden stehen, sonst bleibt sie unfruchtbar.

Zweitens kann meine Reise im gegenwärtigen Zeitpunkt nur Mißverständnisse hervorrufen. Vor allem Mißverständnisse in der theosophischen Gesellschaft. Da haben wir aber schon Mißverständnisse genug. Es handelt sich darum, daß wir in nicht sehr ferner Zeit in der theosophischen Gesellschaft vor ganz neuen Situationen stehen werden. Diese Angelegenheiten würden wir in einer ungünstigen Weise bestimmen, wenn wir jetzt meine Reise so arrangierten, daß ich gleichsam gerufen von Opponenten der russischen theosophischen Sektion in Rußland vortrüge. Wir hätten dann alles, selbst in Adyar, gegen uns. Uns handelt es sich aber doch um die Sache, und der schaden wir, wenn wir als Opponenten gegen die russische Sektion aufgefaßt würden. Es wäre jetzt sogar notwendig, daß vor meinem Kommen nach Rußland, ich verlangen würde müssen, um der Sache nicht zu schaden, daß alle unsere deutschen Mitglieder in die russische Sektion eintreten. Dann, wenn ich von einer Gruppe russischer Sektionsmitglieder gerufen würde, wäre ja äußerlich gegen mein Kommen nichts einzuwenden; innerlich bliebe aber der gegenwärtige Zeitpunkt doch so ungünstig wie nur möglich. Ob Sie in die russische Sektion eintreten oder nicht, darin werde ich Sie nie beeinflussen. Ihr und Ihrer Genossen Verhältnis zu mir wird in nichts geändert, ob Sie Mitglieder der deutschen oder der russischen Sektion sind. Es handelt sich nur darum, daß Sie in der Sache den Ihnen entsprechenden Weg gehen. Und dieser besteht darinnen, bei Ihnen eine theosophische Sache vorzubereiten, die auf einem gediegenen Grunde steht, die allem theosophischen Dilettantismus aus dem Wege geht, und mit der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit rechnet. Von alledem sind Sie, mein liebes Fräulein Minsloff, bei allem Ihren bisherigen Vorgehen geleitet gewesen. Ihnen selbst muß es natürlich überlassen bleiben, wie Sie sich zur neubegründeten russischen Sektion verhalten. In Adyar scheint man zu glauben, daß ich auf Ihre Entschlüsse einen Einfluß genommen habe, während Sie doch rein selbst gefunden haben, daß diese Sektion mit diesen Einrichtungen den russischen Verhältnissen nicht entspricht.

Aber ob Sektion oder nicht Sektion: die Dinge gehen ihren Lauf, wie sie ihn nach spirituellen Notwendigkeiten gehen müssen. Bei allen Entscheidungen, die Sie treffen, werden Sie sich ja immer die Frage vorlegen müssen: liegt das Handeln im Sinne der spirituellen Notwendigkeiten? Zu bloßen Abstraktionen, wie man sie gegenwärtig in manchen theosophischen Kreisen liebt, sind heute die Zeiten zu ernst.

Also, wie gesagt, lassen Sie die Situation der theosophischen Gesellschaft auch in Rußland [sich] klären. Manches, was in nächster Zeit in der theosophischen Gesellschaft geschehen wird, wird zu einer solchen Klärung beitragen. Es wird doch alles gut werden. Dieser Brief ist nur für Sie.

Herzlichst und in Treuen

Ihr Dr. Rudolf Steiner