Correspondence with Edith Maryon
1912–1924
GA 263
Translated by Steiner Online Library
33
Edith Maryon to Rudolf Steiner
Villa St. Georg
Arlesheim near Basel, September 14, 1919
Dear and esteemed teacher,
The second translation of chapters one and two of your book has finally arrived, but I find it extremely difficult to form an opinion about it. At first I read the two chapters purely from the point of view of an English book, and found that it is well written, in very modern, apt English, the images very much in the English sense, with no trace of the German origin (as in my poor creation!). Only here and there did I find a sentence that seemed to me to be modern slang, but it is probably not perceived that way in present-day England. It reads fluently and interestingly, and I could well imagine that, if it is properly published, it could even become a popular book. The one translator is already an experienced and well-known writer, and she already has a lot of influence in these circles, and she could contribute significantly to the book being published by the National Labor Press.
Then I read it and compared it to the original. Here it turned out that the two translators took a lot of liberties with the sentence distribution, [and that] in my opinion, with the exception of one or two places, without having a good reason for it. I think they formed two or three sentences out of one, two sentences out of one, etc. This happens on average twice or more per page. But this could be quickly corrected and made good; I think it would be desirable because a different nuance comes across.
Then they have usually written three quarters of the words that are written in bold in the original, so that the emphasized word has the same value as the others. I also think that they often translated too freely, that is, they tried to understand the meaning and then freely render it in their own way, so that it is a bit as if you had seen a blue painting and, from memory, made a green one! It is the same with paragraphs; they create completely new ones in an arbitrary way.
Finally, I compared the first chapter of the two translations and found that the other one reads more fluently when viewed as a whole, which is easy to understand because one translator had already written a lot and I had not! I often find my sentences clumsier, but perhaps more faithful – in some respects – to the original; others are even like another version, some better. (Is that immodest?) But in the end I think that the best thing to do would be to use the other translation, because the people in England have influence and I don't, and they have to work there and will be more interested if they can create their own tools. I would only insist that the stressed words should also be stressed in English, and that one should not arbitrarily introduce a different sentence distribution. If time is not too pressing and the others allow it (which they may not do because they are firmly convinced that their translation is quite faithful to the original), I would like to see some things a little differently. This judgment is formed from the first chapter; I have only briefly read the second, but my critique is about the same. I will study the matter further in the next few days, but probably not think much differently.
So I am writing now, so that perhaps a little time can be saved. The lady and Mr. Kaufmann plan to be in Dornach at the end of September. The question is whether a translation should be given to the Nat[ional] Lab[our] Press immediately so that we can get an answer?
If the others come and allow me, I would like to go through the work and compare it, it might be possible to improve it a bit, but that would take time, maybe it's better and more important to get started quickly now? I await your judgment on all of this and have not said anything to the two people.
I have various letters from the commission, etc. to present to you later.
I would have loved to be able to work on this as well, but it seems that life wants to throw me out on this occasion and I have to let it happen for the sake of the matter.
It will be so nice when you can work here again, the times are quite difficult and the weeks are very long. I received the letter well and was very happy about it.
With my warmest regards
L. Edith C. Maryon
33
Edith Maryon an Rudolf Steiner
Villa St. Georg
Arlesheim bei Basel, 14. September 1919
Sehr verehrter lieber Lehrer,
die zweite Übersetzung des 1. und 2. Kapitels Ihres Buches ist endlich angekommen, aber ich finde es unendlich schwierig, ein Urteil darüber zu bilden. Zuerst habe ich die zwei Kapitel gelesen rein von dem Standpunkt eines englischen Buches, und habe gefunden, daß es gut geschrieben ist, in ganz modernem treffendem Englisch, die Bilder ganz im englischen Sinn, keine Spur von dem deutschen Ursprung (wie bei meiner armen Schöpfung!). Nur da und dort habe ich einen Satz gefunden, der mir wie moderner «Slang» erschien, aber wahrscheinlich wird das im jetzigen England nicht so empfunden. Es liest sich fließend und interessant, ich könnte wohl denken, daß, falls es richtig herausgegeben ist, es sogar ein populäres Buch werden könnte. Die eine Übersetzerin ist schon eine geübte und bekannte Verfasserin, und hat in diesen Kreisen schon viel Einfluß, und könnte wesentlich dazu beitragen, daß das Buch von der National Labour Press herausgegeben wird.
Dann habe ich es gelesen und verglichen mit dem Original. Hier stellte es sich heraus, daß die zwei Übersetzer sich viel Freiheit erlaubt haben mit der Satzverteilung, [und zwar] nach meiner Meinung, mit Ausnahme von ein oder zwei Stellen, ohne triftigen Grund dafür zu haben. Ich meine sie haben aus einem Satz zwei oder drei gebildet, aus zwei Sätzen einen usw. Dies geschieht durchschnittlich zweimal oder mehr pro Seite. Man könnte aber dieses schnell korrigieren und wieder gut machen; ich meine, es wäre wünschenswert, weil eine andere Nuance herauskommt.
Dann haben sie drei Viertel von den Worten, die im Original dick geschrieben sind, gewöhnlich geschrieben, so daß das betonte Wort nur die gleiche Valeur hat wie die übrigen. Ich meine auch, sie haben oftmals zu frei übersetzt, das heißt, sie haben versucht, den Sinn zu verstehen und dann frei auf ihre eigene Weise wiederzugeben, so daß es ein bißchen ist, als ob man ein blaues Bild gesehen und aus der Erinnerung heraus ein grünes gemacht hätte! Mit den Paragraphen geht es ebenso, sie machen ganz neue, in willkürlicher Weise.
Zuletzt habe ich das 1. Kapitel von den zwei Übersetzungen verglichen und finde, die andere liest sich mehr fließend, als Ganzes betrachtet, was sich gut begreifen läßt, weil die eine Übersetzerin schon viel geschrieben hat und ich nicht! Ich finde meine Sätze oftmals ungeschickter, aber vielleicht treuer - in einiger Hinsicht - zum Original; andere sind doch sogar wie eine andere Version, manche besser. (Ist das unbescheiden?) Aber am Ende finde ich, daß das beste für die Sache doch wäre, die andere Übersetzung zu nehmen, weil die Leute Einfluß in England haben und ich keinen, und sie müssen dort arbeiten und werden mehr Interesse dafür haben, wenn sie ihre eigenen Werkzeuge schaffen können. Nur würde ich darauf bestehen, daß die betonten Worte auch im Englischen betont werden sollten, und daß man nicht willkürlich eine andere Satzverteilung einführen sollte. Wenn die Zeit nicht allzusehr drängt und die anderen es erlauben (was sie vielleicht nicht tun werden, weil sie fest überzeugt sind, ihre Übersetzung sei ganz getreu dem Original), so würde ich gerne einiges etwas anders sehen. Dieses Urteil ist von dem ersten Kapitel gebildet, ich habe nur flüchtig das zweite gelesen, aber meine Kritik ist ungefähr die gleiche. Ich werde die Sache weiter studieren in den nächsten Tagen, aber wahrscheinlich nicht wesentlich anders denken.
So schreibe ich jetzt, damit man vielleicht ein wenig Zeit sparen kann. Die Dame und Herr Kaufmann haben vor, Ende September in Dornach zu sein. Die Frage ist, ob man der Nat[ional] Lab[our] Press sofort eine Übersetzung geben sollte, damit wir eine Antwort bekommen können?
Wenn die anderen kommen und es mir erlauben, würde ich gerne die Arbeit durchgehen und vergleichen, man könnte sie vielleicht etwas verbessern, aber das würde Zeit in Anspruch nehmen, vielleicht ist es besser und wichtiger, jetzt schnell einen Anfang zu machen? Über alles erwarte ich Ihr Urteil und habe nichts davon den zwei Personen gesagt.
Ich habe verschiedene Briefe von der Kommission usw. Ihnen später vorzulegen.
Es wäre mir sehr lieb gewesen, auch in dieser Sache mitzuarbeiten, allein es scheint mir, daß das Leben mich hierbei herausschmeißen will und der Sache wegen muß ich es geschehen lassen.
Es wird so schön sein, wenn Sie wieder hier arbeiten können, die Zeiten sind doch recht schwierig und die Wochen sehr lang. Den Brief habe ich gut erhalten, und habe mich darüber sehr gefreut.
Mit herzlichsten Grüßen
L. Edith C. Maryon