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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Correspondence with Marie Steiner
1901–1925
GA 262

Translated by Steiner Online Library

52a

Rudolf Steiner to Edouard Schuré
Thursday, December 20, 1906

Munich, December 20, 1906 Dearest Friend!

Since our happy days in Barr, I have been constantly on the road. Please do not look for any other explanation for the fact that you are only receiving this letter today. First of all, let me tell you how deeply those happy days filled me with satisfaction. The reading of the parts of your projected work was an event for me, to which I attach the most glorious hopes. The world and life view, from which a new spiritualization of our culture must be expected, is cast in a form, and appears at such a height of vision and in such an artistic way that it must, if the way out of the present into the future is to be found. This book will be a highly esteemed gift for our time. You know from the messages of Miss v. Sivers and from my own, what a treasure I see in your works. They seem to me much more important than those that have directly emerged from the so-called theosophical movement. And I must find the wisdom revealed to me by the exalted masters of the Rosicrucian movement much more beautifully expressed in these works than in those of the Theosophical movement, because in the latter it often appears as if in refracted rays, whereas in your works it is shown purely in its truth through the noble and artistic form. That is why my participation in Miss von Sivers' careful translation of “The Great Initiates” was so satisfying to me. This book is now also finished, and it will give many German readers something significant.

I am pleased that the exercises written down in Barr are of some use to you. They are, after all, in line with Rosicrucian wisdom. And if I may ask you for something, it is this: not to lose patience if the time of a perceptible effect is a little delayed. The path is a safe one, but it requires a lot of patience. In a short time, when the right moment comes, I will certainly write the continuation of it. - At first, one experiences the effect only through very intimate processes of the soul life. And it actually requires great and at the same time subtle inner attention to sense how the manifestations from another world are adjusting. These are, so to speak, only noticeable between the other events of the inner life.

Only now, since Barr's beautiful days, am I getting some air. Miss v. Sivers and I are using a few days off to work quietly in Venice. I wanted to write to you, dearest friend, from the first stop on our journey, here in Munich. The Countess Bartowska 46The Polish Countess Batowska, an old friend of Schuré, was acquainted with H.P. Blavatsky. Rudolf Steiner met her in Paris in May 1906. She died on January 30, 1911. shall receive the promised letter from Venice.

It would be a beautiful event at the Munich Congress if your “Eleusinia” could be performed. The difficulties are, after all, great. And I will make every effort. A worthy composer is currently hard to find in Germany. But we will see. It would certainly be nice if a translation in verse could be achieved. But as far as I can see from today's conditions in Germany, that will not be possible. The level at which the whole thing must stand could easily suffer. Therefore, I believe that a dignified prose will be better. Regarding the Demeter scene, about which Miss v. Sivers wrote to you, I will take the liberty of making suggestions in a subsequent letter. I can see before me the way in which this scene actually took place in the later Eleusinian Mysteries. The whole event was steeped in a wonderful symbolic holiness. Only now can I begin to seriously address the preparations for the congress. Therefore, I will only now be able to come up with my suggestions. Of course, the main idea must be to perform your magnificent creation only when we can do so worthily. My point of view as composer will be to find someone who can respond to your great intentions.

I commend myself to your esteemed wife; to you personally I send my warmest Christmas greetings and remain in devoted admiration, Rudolf Steiner.

Until January 2: Hotel de l'Europe, Venezia (Venice)—

52a

Rudolf Steiner an Edouard Schuré
Donnerstag, 20. Dezember 1906

München, 20. December 1906 Hochverehrter Freund!

Seit den schönen Tagen in Barr folgte für mich unausgesetzt Reise auf Reise. Nur darin suchen Sie die Erklärung, dass Sie diesen Brief erst heute erhalten. Zunächst lassen Sie mich es aussprechen, mit wie tiefer Befriedigung mich jene schönen Tage erfüllt haben. Die Vorlesung der Teile Ihres projektierten Werkes war für mich ein Ereignis, an das sich mir die herrlichsten Hoffnungen knüpfen. Die Welt- und Lebensauffassung, von welcher eine neue Vergeistigung unserer Kultur erwartet werden muss, wird da in eine Form gegossen, tritt [in] einer solchen Anschauungshöhe und künstlerischen Anschauungsart auf, wie es sein muss, wenn der Weg aus der Gegenwart in die Zukunft gefunden werden soll. Es wird eine hoch zu schätzende Gabe für unsere Zeit sein, dieses Buch. Sie wissen aus den Mitteilungen von Frl. v. Sivers und aus meinen eigenen, welchen Schatz ich in Ihren Werken sehe. Mir erscheinen sie viel wichtiger als diejenigen, welche unmittelbar von der sogenannten theosophischen Bewegung ausgegangen sind. Und ich muss das mir von den erhabenen Meistern der Rosenkreuzerbewegung eröffnete Weisheitsgut viel schöner in diesen Werken finden als in denen der theosophischen Bewegung, weil es in den letztern vielfach wie in gebrochenen Strahlen erscheint, bei Ihnen sich aber rein durch die so edel-künstlerische Gestalt hindurch in seiner Wahrheit zeigt. Deshalb war mir die Teilnahme an Frl. v. Sivers sorgfältiger Übersetzung der «Großen Eingeweihten» etwas so befriedigendes. Auch dieses Buch ist nun fertig, und es wird vielen deutschen Lesern bedeutsames geben. |

Dass Ihnen die in Barr aufgeschriebenen Übungen etwas sind, ist mit lieb. Sie sind ja im Einklange mit der rosenkreuzerischen Weisheit. Und wenn ich Sie um etwas bitten darf, dann ist es dieses: nicht die Geduld zu verlieren, wenn der Zeitpunkt einer wahrnehmbaren Wirkung auch etwas auf sich warten lässt. Der Weg ist ein sicherer, aber er braucht viel Geduld. In einer kurzen Zeit, wenn der rechte Augenblick dazu sein wird, schreibe ich gewiss die Fortsetzung davon. - Zunächst erfährt man ja die Wirkung nur durch ganz intime Vorgänge des Seelenlebens. Und es bedarf eigentlich großer und zugleich subtiler innerer Aufmerksamkeit, um zu verspüren, wie sich die Manifestationen aus einer anderen Welt einstellen. Diese sind sozusagen zwischen den sonstigen Ereignissen des inneren Lebens nur zu merken.

Jetzt erst, seit Barr’s schönen Tagen, bekomme ich etwas Luft. Frl. v. Sivers und ich benützen ein paar freie Tage, um in Venedig ruhig zu arbeiten. Ihnen, hochverehrter Freund, wollte ich schon von der ersten Reisestation, hier in München, schreiben. Die Gräfin Bartowska 46Die polnische Gräfin Batowska, eine alte Freundin von Schuré, war mit H.P. Blavatsky bekannt. Rudolf Steiner lernte sie im Mai 1906 in Paris kennen. Sie starb am 30. Januar 1911. soll von Venedig aus das versprochene Schreiben erhalten.

Als ein schönes Ereignis des Münchener Kongresses wäre es anzusehen, wenn Ihre «Eleusinien» aufgeführt werden könnten. Die Schwierigkeiten sind immerhin große. Und ich werde mir alle Mühe geben. Ein würdiger Komponist ist gegenwärtig in Deutschland schwer zu finden. Doch wir wollen sehen. Gewiss wäre es schön, wenn eine Übersetzung in Versen geleistet werden könnte. Doch so viel ich die heutigen Verhältnisse in Deutschland übersehe, wird das nicht möglich sein. Die Höhe, auf der das ganze stehen muss, könnte darunter leicht leiden. Deshalb bin ich der Ansicht, dass eine würdige Prosa besser sein wird. Bezüglich der Demeterscene, über welche Frl. v. Sivers Ihnen geschrieben hat, werde ich mir erlauben, Ihnen in einem nächsten Briefe Vorschläge zu machen. Ich sehe vor mir die Art, wie diese Scene auch noch in den späteren Eleusinien wirklich vor sich ging. Es war das Ganze in wunderbare symbolische Heiligkeit getaucht. Erst jetzt kann ich beginnen, ernstlich mich mit den Vorbereitungen zum Kongress zu befassen. Deshalb werde ich auch erst jetzt mit meinen Vorschlägen kommen können. Natürlich muss der Hauptgedanke sein, Ihre herrliche Schöpfung nur dann zu bringen, wenn wir es würdig tun können. Beim Komponisten wird mein Gesichtspunkt sein, jemanden zu finden, der auf Ihre großen Intentionen eingehen kann.

Ihrer verehrten Frau Gemahlin empfehle ich mich zum Besten; Ihnen selbst sende ich schönsten Weihnachtsgruß und bin in hin gebungsvoller Verehrung Ihr Rudolf Steiner

Bis zum 2. Januar: Hotel de l’Europe, Venezia (Venedig)—