Correspondence with Marie Steiner
1901–1925
GA 262
Translated by Steiner Online Library
220
To Rudolf Steiner in Dornach
Friday, October 24, 1924, from Berlin
Friday evening, October 24, 1924
Dear E., thank you very much for your long letter, which I hope did not take too much effort on your part, and for all your contributions. Now we have everything we need for the Johannisnachtstraum, even more, because we won't have enough time for the scenes with Zettel 39Was later performed at the Goetheanum, but not under Marie Steiner's direction.. We will save that for when we work with the actors. Incidentally, not much is missing now to complete the ghost scenes. And I thought that since you now know what you want yourself, you might like me to send you all the scenes in which something is still missing. I am attaching them here. I have indicated the pages and marked the places where something still needs to be done. What is left mostly refers to the adventures of the Athenians. I have also left that out in the speeches that we are now presenting. But that would be necessary if we were to work together with the actors. So I am sending them to you in any case for you to review.
Now our first matinee is behind us. It went extremely well, and there was no sign of any negative sentiment – only applause. What the press will say could be different. They say there was a scathing article in the Berliner Tageblatt on Friday. In any case, it had no effect on the matinee; the Lessing Theater was sold out and the audience was completely behind it.
In general, the press treated us well this time. Sometimes reluctantly, as in the Hamburger Nachrichten, but precisely because of that, it is said, it was impressive. Only I was occasionally scolded, or found poems useless. My voice obeyed me quite well on this trip. Only in the members' performance in Stuttgart was I a little embarrassed, and in the second performance in Hamburg I felt the cold from Lübeck a little. (Not yet in Lübeck itself.) The Kammerspiel Theater in Hamburg is also acoustically unfavorable; the Thalia Theater is very good. The Lessing Theater here is also acoustically favorable.
However, I now have a somewhat daunting task with the Johannisnacht scenes; after all, I have a few clumsy people for the choir and little time. Every day, I have rehearsals in addition to the performance, rehearsed the elf scenes, and that was a great effort. (We were allowed to stay at the Lessing Theater quite extensively.) Now this morning, before the matinee, I woke up with a severe migraine and foaming at the mouth. But since that was already happening at 5 a.m., I was able to get myself together until 11:30, and nobody noticed anything. But talking to people is also what unsettles me, I hardly have the strength for it anymore. So unfortunately I couldn't fulfill your wish to participate actively in the conference. Yesterday I had too much to do with the two rehearsals, and today I have to make a considerable effort to keep myself going. Tomorrow I have to rehearse a lot: the Michaeli program for Tuesday and Wednesday, and the new one.
3rd Nov.
Dear E., it's terrible: I wanted to write you a long, detailed letter and not just ask for forms, so I didn't send this and the texts already put in an envelope. Every time I sat down to write, I was called away, and I got so caught up in the whirlwind that I no longer had control over myself. I was unable to attend any lectures. But I experienced all too much that was human and social. So I must speak of gratitude and good fortune that the performance went well yesterday. It was received with enthusiasm. I firmly believe that your thoughts helped us. It was a daring undertaking. — I also wanted to collect reviews for you and couldn't manage it. Tomorrow morning we'll continue our journey and today there is still so much to be done. So I have to close so that this letter can be sent. I couldn't write another one anyway. Only more intensely and lovingly I want to think of you. It gave me courage when I received another letter from you yesterday before the performance, and I want to trust that you are feeling better. We have performances in Stuttgart on November 9 and 11. —- I received the first “Goetheanum” that came in the mail yesterday.
Warmest Marie
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An Rudolf Steiner in Dornach
Freitag, 24. Oktober 1924, aus Berlin
Freitag abend, 24. Okt. 1924
Lieber E., danke vielmals für Deinen langen Brief, der Dich hoffentlich nicht zu sehr angestrengt hat, und für alle Zusendungen. Jetzt haben wir alles, was wir brauchen für den Johannisnachtstraum, sogar mehr, denn für die Szenen mit Zettel 39Wurde später am Goetheanum aufgeführt, jedoch nicht unter Marie Steiners Regie. wird die Zeit doch nicht reichen. Das werden wir uns denn aufsparen für das Zusammenwirken mit den Schauspielern. Es fehlt jetzt übrigens gar nicht viel, um die Geisterszenen vollständig zu haben. Und ich dachte schon, dass es Dir vielleicht recht wäre, da Du ja jetzt im Bilde bist dessen, was Du selbst dabei willst, ob ich Dir nicht gleich alle die Szenen schicke, in denen noch etwas fehlt. Ich füge sie hier bei. Ich habe die Seiten angegeben, und die Stellen angestrichen, an denen noch etwas zu machen ist. Was übrig geblieben ist, bezieht sich meistens auf die Abenteuer der Athener. Das habe ich auch innerhalb der Reden, die wir jetzt zur Darstellung bringen, gestrichen. Das würde aber nötig sein, wenn wir mit den Schauspielern zusammenwirken. So lege ich sie Dir denn auf alle Fälle zur Begutachtung bei.
Nun haben wir unsere erste Matineée hinter uns. Sie verlief ausgezeichnet, und es hat sich gar keine Gegenstimmung gezeigt, — nur Beifall. Was die Presse bringen wird, könnte ja anders sein. Es heißt, es wäre am Freitag ein Schmähartikel im Berliner Tageblatt erschienen. Jedenfalls hat er bei der Matin&e keine Wirkung ausgeübt; das Lessingtheater war ausverkauft, und das Publikum ging restlos mit.
Im allgemeinen hat uns die Presse dies Mal gut behandelt. Manchmal wider Willen, wie in den Hamburger Nachrichten, aber grade dadurch, heißt es, Eindruck machend. Nur auf mich haben sie hin und wieder geschimpft, oder haben Gedichte unnütz gefunden. Die Stimme hat mir auf dieser Reise ganz gut gehorcht. Nur in der Mitglieder-Aufführung von Stuttgart war ich etwas geniert, und bei der zweiten Aufführung von Hamburg fühlte ich etwas die Erkältung von Lübeck nach. (In Lübeck selbst noch nicht.) Das Kammerspiel-Theater von Hamburg ist auch akustisch ungünstig; das Thalia-Theater sehr gut. Auch das Lessing-Theater hier ist akustisch günstig.
Hier habe ich aber nun eine etwas beängstigende Aufgabe an den Johannisnacht-Szenen; denn ich habe doch einige ungeschickte Leute für den Chor und wenig Zeit. Ich habe jeden Tag neben der Aufführung Probe, die Elfenszenen geprobt und das war eine große Anstrengung. (Wir durften uns im Lessing Theater ziemlich ausgiebig aufhalten.) Nun bin ich doch heute morgen vor der Matinee mit starker Migräne und Schaumspeien aufgewacht. Da das aber schon um 5 Uhr vor sich ging, konnte ich mich bis ½12 richten, und es hat niemand etwas bemerkt. Nur ist auch für mich das Reden mit den Menschen das, was mich durcheinanderbringt, dafür reicht die Kraft kaum mehr. So konnte ich leider Deinen Wunsch nicht erfüllen, mich an der Tagung stark zu beteiligen. Gestern hatte ich mit den zwei Proben zu viel zu tun, und heute muss ich mich mit ziemlicher Mühe aufrecht erhalten. Morgen muss ich sehr viel proben: das Michaeli-Programm für Dienstag und Mittwoch, und das neue.
3. Nov.
Lieber E., es ist schrecklich: einen langen ausführlichen Brief wollte ich Dir schreiben und nicht nur bitten um Formen, schickte also dieses und die schon in ein Couvert hineingelegten Texte nicht ab. Jedesmal wurde ich abberufen, wenn ich mich zum Schreiben setzte, und bin so in den Wirbel hineingezogen worden, dass ich nicht mehr über mich verfügen konnte. Vorträge habe ich nicht mitmachen können. Aber Menschliches-Allzumenschliches und Gesellschaftliches-Allzugesellschaftliches gar viel. So muss ich von Dank und Glück sprechen, dass die Aufführung gestern gelungen ist. Sie wurde mit Begeisterung aufgenommen. Ich glaube fest, dass Deine Gedanken uns geholfen haben. Es war ein gewagtes Unternehmen. — Ich wollte auch Kritiken für Dich sammeln und konnte es nicht fertig bringen. Morgen früh geht’s auf die Weiterreise und heute ist noch so viel zu absolvieren. Ich muss also schließen, damit dieser Brief abgeht. Einen andern könnte ich doch nicht schreiben. Nur um so intensiver und liebevoller will ich an Dich denken. Es gab mir Mut, als ich gestern vor der Aufführung wieder einen Brief von Dir erhielt, und ich will vertrauen, dass es Dir besser geht. Den 9. und 11. November haben wir Vorstellung in Stuttgart. —- Das erste «Goetheanum», das mit der Post gekommen ist, habe ich gestern erhalten.
Allerherzlichstes Marie